STAMMTISCH

Gedenkstätte Bautzner Straße

18. Februar 2010

 

Es begann im Dezember. Am 4.12.1989 flog das Gerücht durch Dresden, in der Bautzner Straße würde Papier vernichtet. Einen Tag später demonstrierten Bürgerrechtler vor der MfS-Bezirksverwaltung. Sie besetzten das Gebäude, während die hauptamtlichen Mitarbeiter noch bis zum April des Folgejahres ihren Dienst verrichteten und dabei unzählige Akten vernichteten.

 

Rund 3.600 hauptamtliche Mitarbeiter verrichteten bis zum Frühjahr 1990 ihren Dienst in der Bezirksverwaltung Dresden, zu der über 30 Diensteinheiten und Objektdienststellen zählten. Dabei gehörte die Kreisdienststelle Dresden unter Generalmajor Horst Böhm mit 130 Hauptamtlichen und 500 bis 700 Inoffiziellen Mitarbeitern zu den größten in der DDR. Insgesamt waren rund 96.000 Personen hauptamtlich beim MfS beschäftigt, hinzukommen nach Schätzungen noch einmal 200.000 Inoffizielle Mitarbeiter, sodass, wie Erich Mielke als Losung ausgab, die Stasi wirklich über alles und jeden Bescheid wissen konnte.

 

Dabei fing die Geschichte des Geländes an der Bautzner Straße ganz harmlos an: vor 1945 war es ein Hotel mit Restaurant. Nach dem Kriegsende und mit dem Einzug der sowjetischen Besatzungsmacht in den Stadtteil fand jedoch der „Heidehof“ eine neue Bestimmung. Die sowjetische Militäradministration wandelte die bestehenden Gebäude, darunter zwei Villen und das heutige Ärztehaus, in eine Untersuchungshaftanstalt um; der Keller des „Heidehofs“, von den Inhaftierten auch „Fuchsbau“ genannt, wurde zu Acht-Mann-Zellen ohne Toilette umgebaut, im zweiten Halbjahr 1945 saßen bereits die ersten Personen ein. Vorgeworfen wurden ihnen Kriegsverbrechen oder die Mitarbeit in höheren Positionen des nationalsozialistischen Apparats.

 

Mit der Zeit aber wandelte sich die Struktur der Inhaftierten. Stellten zu Beginn der 50er Jahre noch Kritiker des Sowjetregimes die Mehrzahl der Verhafteten, so waren es in den 80ern vor allem Menschen, die dem DDR-Regime entfliehen wollten.

 

Zu Beginn der 50er Jahre übernahm das neu gegründete Ministerium für Staatssicherheit das Gelände, die Haftzellen im Vordergebäude wurden nahtlos weitergeführt. 1954 wurde der Gebäudekomplex durch die neu errichtete Untersuchungshaftanstalt erweitert. Im Winter 1982/83 saß Jutta Fleck, vielen als „die Frau vom Checkpoint Charlie“ bekannt, hier in Untersuchungshaft. Wegen „schweren Falls von Republikflucht“ wurde sie am 4. Januar 1983 zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt.

 

Mit diesem und weiteren persönlichen Schicksalen erläuterte Herr Vogt, der die Runde durch das Gebäude führte, den erschütternden Alltag auf der Bautzner Straße. Der ehemalige Leiter der Dresdner Außenstelle der BStU hat selbst Bekannte, die noch immer unter ihren Erinnerungen an die Zeit in der Untersuchungshaft leiden. Auch aus diesem Grund engagiert er sich ehrenamtlich für den Trägerverein der Gedenkstätte und führt Gruppen durch das Gebäude.

 

Man sieht, man liest und man leidet mit denen, die hier inhaftiert waren. Drei bis sechs Monate Untersuchungshaft, dann die Anklageschrift und ein Prozess, der nicht mehr war als reine Formsache, im Anschluss viele Jahre in Hoheneck oder Bautzen. Kein Kontakt zu anderen Inhaftierten, keine Privatsphäre und wenn man zu zweit auf einer Zelle war, dann sollte der eine den anderen aushorchen. Versprochen wurden dafür Hafterleichterungen oder gar die Verkürzung der Strafe. Dunkelzellen und Glasbausteine statt Fenstern – kein Blick nach draußen und nur trüb einfallendes Tageslicht. Und auch der Freigang war kein solcher: man tippelt durch mit Wellblech überdachte Zellen, kein Himmel und kein Baum sind zu sehen.

 

Im Sommer 2007 verabschiedete der Bundestag ein Gesetz für die Entschädigung von SED-Opfern. Diese Opferpension soll eine – zumindest – kleine Anerkennung und Würdigung des Widerstandes gegen die SED-Diktatur sein.

 

Es ist darüber hinaus jedem nur zu empfehlen, die Gedenkstätte Bautzner Straße zu besichtigen und sich dieses Stück deutsche Geschichte ins Gedächtnis (zurück) zu rufen; geöffnet ist montags bis freitags von 9 bis 16 Uhr.