Perspektivwechsel: Einen Tag als Alltagsbegleiter für Senioren

„Sich Zeit zu nehmen, um gemeinsam Zeit zu verbringen.“ Unter diesem Motto lässt sich die Passion der ehrenamtlichen Alltagsbegleiter für Senioren der Caritas Dresden treffend zusammenfassen. Diese Begleiter wollte ich schon länger kennenlernen. Dafür haben ich den heutigen Tag genutzt und die Perspektive gewechselt: Raus aus dem Landtag und rein in den die Alltagsbegleitung für Senioren. 

Alltagsbegleitung für Senioren heißt, die Betreuung, Begleitung und Unterstützung von Senioren. Die Idee dahinter ist, dass älteren aber noch nicht pflegebedürftigen Personen im Alltag und in ihrer eigenen Häuslichkeit unterstützend zur Seite gestanden wird. Durch die regelmäßige Unterstützung und Begleitung im täglichen Leben wird der sozialen Isolation vorgebeugt und der Verbleib in den eigenen vier Wänden länger ermöglicht. Das verbessert nicht nur die Lebensqualität der Senioren, sondern fördert auch den Erhalt der Selbstständigkeit und ermöglicht die Teilhabe am täglichen Leben – im gewohnten sozialen Umfeld.

Im Rahmen meines Perspektivwechsels habe ich heute einen Alltagsbegleiter, auch „Wohnpate“ genannt, der Caritas Dresden begleitet. Herr Schulz*, 66 Jahre alt und Rentner ist seit fast fünf Jahren ein Wohnpate. Der rüstige Rentner hatte in den letzten Jahren schon einige Senioren betreut - aktuell sind es wöchentlich zwei. Davon ist eine Seniorin Frau Meier*. Gemeinsam haben wir die hochbetagte Dame, Jahrgang 1937, aus ihrer Wohnung in der Dresdner Johannstadt abgeholt und sind mit ihr zum nahegelegenen Supermarkt gegangen. Herr Schulz dient dabei lediglich als Begleitung und Unterstützung. Den eigentlichen Einkauf, von der Auswahl bis hin zur Bezahlung, übernimmt Frau Meier noch selbst. Der Begleiter hilft nach Bedarf beim Einpacken, der Auswahl oder auch mit dem Transport der Lebensmittel. 

Mir wurde schnell klar, dass es bei der Alltagsbegleitung nicht nur um das „Anpacken“ geht, sondern viel mehr um die gemeinsame Zeit. Es wird sich unterhalten und ausgetauscht - es wird Zeit miteinander verbracht.

Beide Senioren wirken wie ein eingespieltes Team. Das wurde besonders deutlich, als wir uns nach dem Einkauf noch längere Zeit in der Wohnung der Seniorin unterhalten konnten. Herr Schulz und Frau Meier legen sich wöchentliche Termine und Uhrzeiten fest, um bei Einkäufen, Behördengängen oder auch Arztbesuchen zu helfen. Aber auch zu wöchentlichen Seniorentreffen und gemeinsamen Freizeitgestaltungen, wie Spazierengehen, Kartenspielen oder Vorlesen von Büchern steht der Alltagsbegleiter zu Seite. Es wird geholfen, unterstützt und gemeinsame Zeit verbracht. Lediglich pflegerische Tätigkeiten können nicht wahrgenommen werden. 

Herr Schulz macht den ehrenamtlichen Job als Alltagsbegleiter aus Überzeugung. Frau Meier profitiert von dieser kostenfreien Hilfe, indem Sie so alleine länger in ihrer eigenen Wohnung leben und aktiv ihr soziales Umfeld wahrnehmen kann. Beide wirken damit sehr zufrieden. Einen ähnlichen Eindruck hatte ich auch bei einer weiteren Alltagsbegleiterin und einem Senior im Löbtau. Hier standen vor allem gemeinsame Freizeitaktivitäten im Vordergrund. 

Für die Akquise und Vermittlung von Alltagsbegleitern und zu betreuenden Senioren sind verschiedene Projektträger zuständig. Hierfür hatte ich mich mit dem zuständigen Projektträger am Nachmittag getroffen. Herr Stephan Falley, stellvertretender Geschäftsführer und Fachbereichsleiter Pflege und Beratung, sowie die Sozialarbeiterin Frau Ulrike Buschek hatten mich zum gemeinsamen Austausch in die Begegnungsstätte der Caritas Dresden eingeladen. Hier treffen sich täglich rund 50 Senioren zum Mittagessen und Kaffeetrinken aber auch zu gemeinsamen Veranstaltungen. Dazu gehören generationsübergreifende Feste mit Schülern des Dresdner St. Benno Gymnasiums oder auch mit Studenten der Dresdner Musikhochschule.

„Es ist immer spannend zu sehen, wie alte Menschen dabei aufblühen und geistig fit bleiben.“, so Frau Duschek über die generationsübergreifende Projekte. Die Betreuer, in der Regel selbst Senioren, erhalten dafür eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 80 Euro bei einer Alltagsbegleitung von bis zu 32 Stunden im Monat. Finanziert werden die Alltagsbegleiter und das Begegnungszentrum durch Spenden und den Sächsischen Landeshaushalt. 

Neben einem Einblick in die Arbeit der Alltagsbegleiter und dem Austausch mit der Caritas Dresden konnte ich auch einige Anliegen für die politische Arbeit im Sächsischen Landtag mitnehmen. Die Alltagsbegleitung für Senioren ist eine richtige und immer wichtigere Arbeit, um betagten Menschen ein Leben in ihrem bekannten sozialen Umfeld zu ermöglichen – aber auch um das Pflegesystem zu entlasten. Projekte wie diese müssen vom Land weiter unterstützt und gestärkt werden. In dem Gespräch mit den Vertretern der Caritas wurde auch deutlich, dass in den Kommunen noch besser mit den Netzwerken zu Apothekern und Hausärzten zusammengearbeitet werden muss. Daneben aber auch, dass es eine Übergangsfrist zwischen Alltagsbegleitung und Einstufung in einen ersten Pflegegrad geben muss. Denn bisher ist es so, dass die ehrenamtlichen Alltagsbegleitung dann endet, wenn Betreuenden einen Pflegegrad erhalten. Danach ist eine Begleitung nicht mehr möglich. Stattdessen kann die eine Nachbarschaftshilfe in Anspruch genommen werden. Sie ist ein anerkanntes Unterstützungsangebot durch die Pflegekassen und dient der Betreuung und Entlastung von pflegebedürftigen Personen und deren Angehörigen im Alltag. Hier muss gesehen werden, ob es eine Übergangsfrist geben kann, welche es Alltagsbegleitern ermöglicht, frisch eingestufte Pflegebedürftige bis zum Einsatz der Nachbarschaftshilfe weiter zu unterstützen.  

Insgesamt war der diesjährige Perspektivwechsel wieder ein spannender aber auch intensiver Einblick. Ich bin jenen Menschen dankbar, die sich Zeit und Kraft nehmen, um sich für die Gemeinschaft zu engagieren und anzupacken. Der Alltagsbegleiter ist dafür ein Paradebeispiel: „Zeit nehmen und gemeinsam Zeit verbringen“.

 

Mehr zum Thema und Alltagsbegleiter in Ihrer Nähe: https://senioren.alltagsbegleitung-sachsen.de/aktuelle-projekte

 

*Alle Namen von Senioren und Alltagsbegleitern wurden anonymisiert.