Gestern durfte ich die Themenreihe der sieben Dresdner CDU-Landtags-abgeordneten zum neuen sächsischen Schulgesetz eröffnen. Thematisch ging es bei dieser ersten von sieben Veranstaltungen um den großen und emotionalen Komplex Inklusion an Schulen. Mit meiner geschätzten Kollegin Iris Firmenich, die Expertin der CDU-Landtagsfraktion zu diesem Thema, konnten wir über 30 interessierte Schulleiter, Lehrer und Vertreter von Eltern- und Schülerräten begrüßen. Frau Firmenich stellte zu Beginn die relevanten Daten vor. So weisen bei einer Gesamtzahl von über 360.000 Schülern in Sachsen etwas mehr als 27.800 Schüler einen sonderpädagogischen Förderbedarf auf, wovon die beiden größten Anteile die Bereiche Lernen (11.278 Schüler) und emotionale und soziale Entwicklung (5.525 Schüler) ausmachen. Sachsen steht bei der Inklusion von förderbedürftigen Kindern gar nicht schlecht da: Heute werden schon fast 33% dieser Kinder im Freistaat an Regelschulen unterrichtet. Aber natürlich sagen reine Zahlen noch nichts über die Qualität der Inklusion aus.
Gerade bei diesem Thema muss auf das Wohl aller Kinder, förderbedürftig oder nicht, geachtet werden. Es bringt denen, die unsere besondere Unterstützung bedürfen nichts, wenn sie an einer Regelschule unterrichtet werden sollen, aber dem Druck und den dortigen Ansprüchen nicht gerecht werden können. Und den Kindern ohne Förderbedarfe ist es auch nicht gerecht gegenüber, wenn verhaltensauffällige Kinder den Unterrichtsablauf massiv stören. Deswegen geht Sachsen auch weiterhin den Weg – anders als zum Beispiel Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen oder Bremen – seine Förderschulen zu erhalten und nicht in einer Hauruckaktion abzuschaffen. Integration und besonders Inklusion sind langwierige Prozesse, die nicht von heute auf morgen gelingen werden.
Deshalb setzt Sachsen auf Kooperationsverbünde für eine qualitativ hochwertige Inklusion. Der Grundgedanke dieses Modells sieht vor, dass bis 2021 alle sächsischen Schulen auf freiwilliger Basis, in einem Kooperationsverbund organisiert sind. Die derzeitige Planung sieht 70 solcher Kooperationsverbünde vor. Jeder Verbund soll aus zehn bis elf Grundschulen, vier Oberschulen, ein bis zwei Gymnasium und Berufsschulen, sowie zwei bis drei Förderschulen bestehen. Wenigstens eine Grund- und Oberschule je Verbund sollen dabei das Profil „Inklusion“ aufweisen, quasi federführend bei der Umsetzung der Inklusionsbemühungen an den Regelschulen wirken. Den Förderschulen kommt dabei die Aufgabe zu, die anderen Schulen mit ihren langjährigen und ausgiebigen Erfahrungen im Bereich der Sonderpädagogik regional und überregional unterstützend zu beraten.
Uns ist durchaus bewusst, dass mit diesem Projekt eine enorme Mehrbelastung auf Schulen, Lehrer aber auch Schüler und Eltern zukommt. Deshalb wurden im aktuellen Doppelhaushalt noch einmal 100 zusätzliche Lehrstellen für die Kooperationsverbünde eingestellt. Gleichzeitig beginnt der Einsatz von sogenannten Inklusionsassistenzen. Auch in den Jahren 2018/2019 und 2019/2020 sollen jeweils 100 neue Lehrer extra eingestellt werden. Woher diese zusätzlichen Kräfte, angesichts eines nahezu leergefegten Lehrerarbeitsmarktes, genommen werden sollen, ist allerdings eine Frage die uns heute und auch zukünftig noch sehr stark beschäftigen wird. Dies offen auszusprechen gehört eben auch zu einer ehrlichen Debatte dazu. Diese wurde gestern Abend natürlich ebenfalls geführt. Es wurde nichts beschönigt, Probleme von allen Seiten offen angesprochen. Meine Kollegen und ich haben die Bedenken aber auch Ratschläge der Teilnehmer dankend aufgenommen und werden diese im zukünftigen Entwicklungsprozess mit einfließen lassen. Eine lebendige Demokratie braucht eben auch die Beteiligung derer, die am Ende ganz vorne stehen und als erstes von den politischen Entscheidungen betroffen sind.
Da heute noch niemand absehen kann in welche Richtung sich die Thematik Inklusion, entwickeln wird, wird es bis 2021 eine Evaluation der Kooperations-verbünde geben. Auf dieser Grundlage entscheidet anschließend der Landtag darüber, ob der richtige Weg eingeschlagen wurde oder ob es Nachbesserungen bedarf, das Modell vielleicht sogar wieder abgeschafft und durch etwas gänzlich Neues ersetzt werden muss. Dies geschieht nicht etwa deswegen, weil wir die Inklusion als Experimentierfeld oder Spielwiese für uns Bildungspolitiker sehen, sondern weil nicht über die Köpfe der direkt Betroffenen entschieden werden soll. Niemand hat einen Nutzen davon, wenn die Inklusion in ihrer jetzt angedachten Form auf Biegen und Brechen durchgedrückt wird, am Ende aber alle nur negative Erfahrungen sammeln und keinem wirklich geholfen ist. Beste Beispiele für misslungene Inklusionsbemühungen sind hier wieder die Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen und Bremen, welche jetzt zurückrudern und ihre Förderschulen neu aufbauen. Das bedeutet allerdings nicht, dass die Inklusion komplett abgeschafft wird. Sie mag nicht jedem gefallen, letzten Endes wird sie aber in der einen oder anderen Form Wirklichkeit werden. Schon aus dem Grund, da die UN-Behindertenrechtskonvention, welche der Bundestag im Dezember 2008 ratifiziert hat, einen gleichberechtigten Zugang zu Bildung einfordert. Ebenfalls haben sich die sächsische CDU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag zur Inklusion bekannt. Wir können also nur darauf hinwirken, dass sie schrittweise, zielgerichtet und mit Augenmaß kommt. Dafür bedarf es aber des Engagements aller direkt Beteiligten und auch Unbeteiligten, denn Inklusion ist und bleibt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und Herausforderung.
Ich hoffe, dass mit der gestrigen Diskussion ein kleiner Anstoß hierfür geleistet wurde und wir alle gemeinsam die Inklusion auf einen erfolgreichen Weg führen werden.